Der Entscheidung des BGH vom 10.10.2012 – Az. VIII ZR 107 / 12 - lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Mit Schreiben vom 12.01.2010 kündigten die Vermieter das Mietverhältnis
fristgemäß, weil der beklagte Mieter zu diesem Zeitpunkt die Miete für
den laufenden Monat noch nicht gezahlt hatte. Der BGH vertrag die Auffassung, dass die Kündigung vom 12.11.2010 unwirksam war, weil die Zahlungsrückstände des Mieters die ordentliche Kündigung
des rechtfertigen, wenn sie den Betrag einer Monatsmiete nicht
übersteigen und im Zeitpunkt der Kündigung weniger als einen Monat
angedauert haben.
Zum Hintergrund:
In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der mietrechtlichen Literatur ist streitig, wie hoch ein vom Mieter verschuldeter Zahlungsrückstand sein und wie lange er angedauert haben muss, um die ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Nach einer Auffassung soll den für die fristlose Kündigung festgelegten
Voraussetzungen eine allgemeingültige Bedeutung beikommen. Deshalb setze
eine auf Zahlungsverzug gestützte ordentliche Kündigung
voraus, dass sich der Mieter mit einem Betrag in Höhe von zwei vollen
Monatsmieten oder für zwei aufeinander folgende Monate mit einem nicht
unerheblichen Teil der Miete in Verzug befinden müsse.
Nach der gegenteiligen Auffassung kommt auch bei einem Zahlungsverzug unterhalb dieser Schwelle eine ordentliche Kündigung
in Betracht. Dabei werden an die Höhe des Rückstands und die Dauer des
Verzugs unterschiedliche Anforderungen gestellt. Teilweise soll jeder Zahlungsverzug
zur Kündigung berechtigen, soweit es sich nicht um einen solchen
handelt, der auch bei jedem gutwilligen Vertragspartner einmal auftreten
könne und zu einer kurzfristigen Störung des Vertragsverhältnisses
führe; auch Rückstände unterhalb einer Monatsmiete und einer
Verzugsdauer unterhalb eines Monats werden gelegentlich als ausreichend
angesehen. Überwiegend wird jedoch eine erhebliche Pflichtverletzung
erst beim Rückstand mit einer Monatsmiete und der Verzugsdauer von
mindestens einem Monat angenommen.
So auch der BGH:
Der Auffassung, dass auch unterhalb der gesetzlich festgelegten Grenzen eine ordentliche Kündigung
wegen Zahlungsverzugs möglich sei, gebühre der Vorzug. Die fristlose
Kündigung setze voraus, dass dem Vermieter unter Abwägung aller Umstände
des Einzelfalls die Fortsetzung des Vertrags nicht bis zum Ablauf einer
Kündigungsfrist zugemutet werden könne. Demgegenüber knüpfe die ordentliche Kündigung
an eine nicht unerhebliche Vertragsverletzung des Mieters an, die dem
Vermieter die Lösung vom Vertrag nur unter Beachtung gesetzlicher oder
vereinbarter Kündigungsfristen erlaube. Angesichts dieser
unterschiedlichen Anforderungen an die fristlose und die ordentliche Kündigung bestehe kein Grund, die vom Gesetzgeber für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs festgelegten Grenzen auf die ordentliche Kündigung zu übertragen. Nicht jeder geringfügige oder nur kurzfristige Zahlungsverzug
rechtfertige die Annahme einer nicht unerheblichen Pflichtverletzung.
In Anlehnung an die wohl überwiegend vertretene Auffassung erschien dem
Senat die Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten, wenn der Rückstand
eine Monatsmiete nicht übersteigt und zudem die Verzugsdauer weniger als
einen Monat beträgt.
Im streitigen Fall befand sich der Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung
vom 12.11.2010 mit der Miete für November neun Tage im Verzug, so dass
die Grenze zur nicht unerheblichen Pflichtverletzung noch nicht
überschritten war.
Leitsatz I der Entscheidung des BGH vom 10.10.2012 lautet demnach folgerichtig:
Eine ordentliche Kündigung
wegen Zahlungsverzugs ist auch unterhalb der für die fristlose
Kündigung geltenden Grenze des § 543 Absatz II Nr. 3 BGB möglich. Eine
nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters liegt jedoch nicht vor,
wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und die
Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt.
Die Auffassung des BGH
erscheint konsequent und angemessen, auch wenn die Grenzziehung
(Mietrückstand mindestens eine Monatsmiete und Verzugsdauer weniger als
einen Monat) zwangsläufig etwas willkürlich erscheint.