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Samstag, 29. Dezember 2012

Nachbarrechtliche Regelungen bei der nachträglichen Fassadendämmung

(21.12.2012) „Die Steigerung der Energieeffizienz ist eine wichtige Aufgabe zur Siche­rung der zukünftigen Energieversorgung. Seit der Einführung des Energieeinsparungs­gesetzes im Jahre 1976 folgen in immer kürzeren Abständen neue Verordnungen, die die energetischen Anforderungen an Bauwerke verschärfen“, konstatiert Rechtsanwalt Philip Pürthner, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht (ARGE Baurecht) im Deutschen Anwaltverein (DAV). „Bei der Sanierung bestehender Gebäude stoßen nun aber immer mehr Menschen an Grenzen, und zwar im buchstäblichen Sin­ne, wenn nämlich ihre Außenwanddämmung über die Grundstücksgrenze hinausragt.“
Gerade im Bestand, in Innenstädten und alten Ortskernen, stehen Häuser in der Regel auf der Grundstücksgrenze. Wird die Hauswand gedämmt, ragt sie zwangsläufig auf das Grundstück des Anrainers. Muss dieser den Überbau dulden? „Bei restriktiver Aus­legung der gesetzlichen Vorschriften darf dies nur mit Zustimmung des Nachbareigen­tümers geschehen“, erläutert Philip Pürthner. „Dem Wunsch nach Verbesserung der energetischen Qualität steht der individuelle Eigentumsschutz des Nachbarn nach Art. 14 Grundgesetz gegenüber. Dieses Konfliktpotential und das sich hieraus ergebende Spannungsfeld haben zwischenzeitlich verschiedene Länder durch Einführung entspre­chender nachbarrechtlicher Regelungen zu lösen versucht.“
Demnach ist der Nachbar unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, eine vom Nachbargrundstück auf sein Grundstück übergreifende Wärmedämmung zu dulden. „Allerdings nur, wenn er dadurch lediglich geringfügig beeinträchtigt wird und eine vergleichbare alternative Wärmedämmung nicht mit vertretbarem Aufwand zu erzielen ist“, führt der Wiesbadener Fachanwalt für Bau und Architektenrecht aus. „Entspre­chende nachbarrechtliche Regelungen existieren bereits in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Bremen.“
Aber auch in diesen Bundesländern müssen die Bestimmungen exakt beachtet und der Einzelfall geprüft werden, rät der Experte und zitiert ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG Frankfurt vom 26.09.2012 Az: 19 U 110/12 (vorhergehend LG Gießen, 07.03.2012 – Az: 2 O 481/10). In diesem Fall hatte die geplante Wärmedämmung die Anforderungen der Energieeinsparverordnung überstiegen. Die Dämmschicht wäre dicker ausgefallen als vorgeschrieben und hätte weiter über die Grundstücksgrenze hinausgeragt als nötig. Diese Beeinträchtigung musste der Nachbar nicht hinnehmen. Das Oberlandesgericht stützte sich bei seinem Urteil auch auf die Gesetzesbegründung zu § 10a Abs. 1, Nr. 1 im Hessischen Nachbarrechtsgesetz.
„Die energetische Sanierung bleibt also ein heißes Eisen. Hausbesitzer und Architekten müssen sorgfältig planen, sonst scheitern sie am nachbarlichen Einspruch. Das in Arti­kel 14 des Grundgesetzes geschützte Eigentumsrecht ist als Grundrecht von überra­gender Bedeutung und wird als solches in der Rechtsprechung auch entsprechend gewürdigt.“

.. und Bayern hat hier seine Hausaufgaben gemacht (ab 01.01.2012):

Neuregelungen im Bayerischen Nachbarrecht zum Überbau durch Wärmedämmung und zum Hammerschlags- u. Leiterrecht. Mit Wirkung zum 01.01.2012 wurden die in den Art. 43 ff des Bayerischen AGBGB niedergelegten privatrechtlichen Vorschriften des Nachbarrechts durch zwei wesentliche Neuregelungen ergänzt.
 
Art. 46a ABGBG (Bayern) enthält nunmehr eine Bestimmung, wonach der Nachbar den Überbau der Grundstücksgrenze durch Wärmedämmungsmaßnahmen dulden muss,
  • soweit dadurch die Nutzung seines Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt und eine zulässige beabsichtigte Nutzung des Grundstücks nicht behindern,
  • die Vereinbarkeit der Wärmedämmung mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften – insbesondere den Regelungen des Baurechts – gewährleistet wird und
  • eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise als durch eine Außendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann.
In Art. 46b AGBG (Bayern) erfolgt eine Neuregelung des - bisher in Bayern nicht gesetzlich vorgesehenen - Hammerschlags- und Leiterrecht s. wonach dem Nachbarn das Recht zum vorübergehenden Betreten und Nutzen des Nachbargrundstücks zwecks Durchführung von Bauarbeiten eingeräumt wird, wenn und soweit das Vorhaben anders nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann,
  • die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen und
  • das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht.

Die Absicht, das Hammerschlags- und Leiterrecht auszuüben, sowie Art und Dauer der Arbeiten sind mindestens einen Monat vor deren Beginn dem Eigentümer und Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks von dem die Arbeiten veranlassenden Eigentümer oder Nutzungsberechtigten anzuzeigen.Ein Schaden, der bei der Ausübung der obigen Rechte nach dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks entsteht, ist zu ersetzen.
Auf Verlangen ist Sicherheit in Höhe des voraussichtlichen Schadensbetrags zu leisten.Wird das Nachbargrundstück länger als eine Woche benutzt, ist für die gesamte Zeit der Benutzung eine Entschädigung in Höhe der ortsüblichen Miete für einen dem benutzten Grundstücksteil vergleichbaren gewerblichen Lagerplatz zu zahlen.

 .. oder anders ausgedrückt:


Nachbar muss Wärmedämmung dulden
Neues Gesetz seit 1.1.2012


Steht die Außenwand eines Hauses, die der Eigentümer mit einer Wärmedämmung versehen will, an der Grundstücksgrenze, führt die Anbringung der Wärmedämmung zwangsläufig zu einem Überbau auf das Nachbargrundstück. Strittig war bisher, ob und unter welchen Voraussetzungen der Eigentümer des betroffenen Nachbargrundstücks dulden muss, dass sich die Wärmedämmung des Nachbarhauses auf seinem Grundstück befindet. So hat z. B. das OLG Karlsruhe entschieden, dass ein Hauseigentümer seine Außenwand nicht dämmen darf, wenn die Dämmplatten (hier: 15 cm) in den Luftraum des Nachbargrundstücks ragen (OLG Karlsruhe, Urteil v. 9.12.2009, 6 U 121/09, NZM 2010, 176).

Änderung der Rechtslage

Diese Rechtslage steht jedoch in Widerspruch zu den klimapolitischen Zielen, durch Energiesparmaßnahmen den Ausstoß schädlicher Emissionen zu verringern und die Ressourcen zu schonen. Daher hat der Bayerische Landtag mit Wirkung zum 1.1.2012 zwei gesetzliche Neuregelungen verabschiedet. Danach ist ein Grundstückseigentümer zum Einen unter bestimmten Voraussetzungen zur Duldung des durch eine Wärmedämmung entstandenen Überbaus verpflichtet. Zum Anderen muss er auch das Betreten seines Grundstücks zum Zwecke der Anbringung der Wärmedämmung gestatten (Art. 46 a, 46 b Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch - AGBGB). Entgegenstehende Urteile sind daher jedenfalls in Bayern nicht mehr einschlägig.
Voraussetzung ist, dass durch die Wärmedämmung die Nutzung des Nachbargrundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt wird und eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise als durch eine Außendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann.

Überbaurente

Als Ausgleich für den Überbau kann der Nachbar eine Geldrente (sog. Überbaurente) verlangen. Die Höhe der Rente wurde gesetzlich leider nicht geregelt. Bemessungsgrundlage ist der Verkehrswert des überbauten Grundstücksteils im Zeitpunkt der Grenzüberschreitung.
Zur Anbringung der Wärmedämmung muss der Nachbar das Betreten seines Grundstücks gestatten und grundsätzlich auch dulden, dass dort zur Durchführung der Arbeiten, z. B. ein Gerüst aufgestellt wird. Dies gilt nicht für Eigentümer öffentlicher Verkehrsflächen.

Anzeige- und Entschädigungspflicht

Die Absicht, das Nachbargrundstück zu betreten und dort Arbeiten auszuführen sowie die Art und die Dauer der Arbeiten muss dem Nachbarn mindestens einen Monat vor deren Beginn angezeigt werden. Kommt es zu Schäden am Eigentum des Nachbarn, kann der Nachbar ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden Schadenersatz verlangen. Die Nutzung seines Grundstücks zum Zwecke der Anbringung der Wärmedämmung muss der Nachbar entschädigungslos nur maximal eine Woche dulden. Danach hat er Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung.



Dienstag, 11. Dezember 2012

Umsatzsteuer im Schadenfall richtig erstatten

In der Regel müssen Auftragnehmer nur den Netto-Schaden ausgleichen

  

In der Baupraxis herrscht häufig Unsicherheit, ob und wann Schadenersatzansprüche des Auftraggebers vom Auftragnehmer mit oder ohne Umsatzsteuer erstattet werden müssen.

Grundsätzlich ist der Geschädigte durch den Schädiger so zu stellen, als hätte es das schädigende Ereignis nicht gegeben. Für die korrekte Abwicklung von Schadenersatzansprüchen ist deshalb ausschlaggebend, ob der Auftraggeber als Unternehmer zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist oder nicht.
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  • Fall 1: Auftraggeber darf Vorsteuern abziehen  
Ist der Auftraggeber als Unternehmer zum Abzug der Vorsteuer berechtigt, muss der Auftragnehmer ihm nur den Netto-Schaden erstatten. Denn durch den Vorsteuerabzug ist dem Auftraggeber hinsichtlich der Umsatzsteuer ja kein Schaden entstanden.
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  • Fall 2: Auftraggeber darf Vorsteuern nicht abziehen  
Komplizierter ist Sachlage, wenn der Auftraggeber nicht zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist. Denn in diesem Fall versuchen Auftraggeber regelmäßig, die Umsatzsteuer erstattet zu bekommen – auch wenn der Mangel noch gar nicht beseitigt wurde. Für diese Ausgangslage gilt jedoch § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB: Laut dem Gesetz schließt der erforderliche Geldbetrag für den Ausgleich einer beschädigten Sache nur dann die Umsatzsteuer ein, wenn und soweit diese auch tatsächlich angefallen ist. Die Umsatzsteuer wird deshalb erst mit der Durchführung der Mangelbeseitigungsmaßnahme relevant. Dies hat das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 09.06.2011 zum Aktenzeichen 9 U 502/11 im Nachgang zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 22.07.2010 ausdrücklich klargestellt. Ist die Mangelbeseitigung noch nicht durchgeführt worden, stehen dem Auftraggeber daher grundsätzlich nur die Netto-Mangelbeseitigungskosten als Schadenersatz zu. Die Umsatzsteuer kann erst dann erstattet werden, wenn der Auftraggeber diese tatsächlich aufgewendet hat und nicht im Rahmen eines Vorsteuerabzugs erstattet erhält.

Die maßgebliche Grundlage des Urteils ist der allgemeine Rechtsgedanke des Verbotes der „Überkompensation“ bei der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches. Will ein Auftraggeber (vorerst) keine Mangelbeseitigung durchführen, sollte er deshalb eine Feststellung beantragen, die den Auftragnehmer verpflichtet, im Falle der Mangelbeseitigung auch die anfallende Mehrwertsteuer zu tragen.
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  • Fazit:
Für die Baupraxis gilt folgende Regelung: Die Umsatzsteuer gibt es grundsätzlich nicht. Sie wird nur ausnahmsweise dann relevant, wenn der Auftraggeber nicht zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist und den Anfall der Umsatzsteuer durch Vorlage einer entsprechenden Rechnung nachweisen kann.

Montag, 3. Dezember 2012

Fußmattenverbot - zulässig oder nicht?

Im zu entscheidenden Fall war den Mietern das Auslegen von Fußmatten mietvertraglich untersagt. Dennoch hielt sich ein Mieter nicht an dieser Verbot und wurde prompt vom Vermiete auf Unterlassung verklagt. Der Vermieter gewann den Streit, da das Auslegen einer Fußmatte eine unberechtigte Beeinträchtigung des Eigentums des Vermieters ist, die nicht vom mietvertraglichen Gebrauchsrecht gedeckt ist.

Bei Sanierung an den Schallschutz denken!

Im vorliegenden Fall war ein Gebäude aus dem Jahr 1950 im Jahr 2000 teilweise saniert worden. Als ein Mietvertrag mit dem späteren Kläger abgeschlossen wurde, wurde das Gebäude dem Baujahr 2000 zugeordnet. Dies war ein folgenschwerer Fehler. Denn der Mieter konnte daher erwarten, dass das Gebäude dann auch dem Standard des Baujahrs 2000 entspricht - und zwar auch hinsichtlich der dann geltenden Schallschutzstandards.