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Mittwoch, 30. März 2011

Studie Nachhaltigkeit und Verkehrswert

Steigert der nachhaltige Bau und Betrieb den Verkehrswert einer Immobilie?

Dieser Frage ist die Technische Universität (TU) München im Auftrag von HOCHTIEF Projektentwicklung nachgegangen. Dazu untersuchte sie, ob und wie Büronutzer Nachhaltigkeitsmerkmale einer Immobilie wahrnehmen, bewerten, gewichten und honorieren. Abgefragt wurden Wünsche und Erwartungen an zukünftige Räume und diese zur Ausgangssituation – Standort und Beschaffenheit der aktuell genutzten Immobilie – in Relation gestellt. Im Gegensatz zu vorangegangenen Studien wurde also nicht vergangenheitsorientiert geforscht sondern in die Zukunft gerichtet gefragt. Die Ergebnisse erlauben Projektentwicklern Rückschlüsse darauf, wie künftig nachhaltige Immobilien zu entwickeln sind, die Nutzer wie Investoren gleichermaßen zufriedenstellen. „Ziel der von uns beauftragten Untersuchung war es, aus den kausalen Beziehungen definierter Nachhaltigkeits-Merkmale und Nutzeranforderungen konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten“, erläutert Rainer Eichholz, Sprecher der Geschäftsführung von HOCHTIEF Projektentwicklung. „So können wir aus dem Wissen heraus, welche Kriterien Nutzer bereit sind zu honorieren, nicht nur eine Priorisierung von Merkmalen der Nachhaltigkeit ableiten, sondern für die Praxis ein Instrument entwickeln, mit dem Nutzererwartungen im Sinne der Investoren in ein transparentes Bewertungssystem für Immobilien einfließen.“

Die Vorgeschichte

Im Februar vergangenen Jahres lautete das Ergebnis einer Umfrage bei europäischen Immobilienunternehmen: Immobilieninvestoren setzen künftig noch stärker auf nachhaltige Gebäude. Für 60 Prozent der Befragten war Nachhaltigkeit bereits ein Kriterium für ihre Anlageentscheidung. Zwei Monate später ergab eine weitere Umfrage, diesmal unter Immobilienportfoliomanagern: Bis zu durchschnittlich neun Prozent höhere Kosten werden akzeptiert. Von den befragten Mietern waren sogar 86 Prozent bereit, mehr zu zahlen, allerdings nur eine um durchschnittlich 4,5 Prozent höhere Miete. So erklärt sich, dass kurz darauf eine weitere Studie einen um etwa zehn Prozent höheren Immobilienwert bei „Green Buildings“ im Vergleich zu Standardimmobilien ermittelt. Fazit: Investoren wollen zunehmend nachhaltige, möglichst zertifizierte Immobilien und sind bereit, dafür mehr zu bezahlen. Nur – was wollen die Nutzer? Und wofür würden sie mehr bezahlen? „Die besondere Herausforderung in der Beurteilung von Nachhaltigkeit liegt daher nicht darin, bereits bekannte Zusammenhänge zu berechnen. Es gilt vielmehr, aus Ursache-Wirkungs-Beziehungen definierter Eigenschaften und Anforderungen anwendungsorientierte Handlungsanweisungen zu generieren“, erklärt Prof. Dr. Josef Zimmermann, Ordinarius des Lehrstuhls für Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung an der TU München.

Die Fragestellung

Die Studie „Nachhaltigkeit und Verkehrswert von Immobilien“ widmet sich der Vereinbarkeit von Nutzerkomfort (nicht direkt quantifizierbare Eigenschaften), niedrigen Nebenkosten (direkt quantifizierbare Eigenschaften) und hohen Mieterträgen. Im Fokus der Erhebung stehen die Erwartungen von Nutzern und ihre Bereitschaft, nachhaltige Eigenschaften wahrzunehmen und zu honorieren:
- Legen Nutzer bei der Anmietung von Flächen Wert darauf, dass diese nachhaltig errichtet und betrieben werden? Falls ja, welche Kriterien nehmen Nutzer wahr?
- Sind nachhaltiger Bau und Betrieb einer Immobilie Argumente, die der Nutzer mit einer höheren Kaltmiete honoriert? Falls ja, welche haben Priorität?
- Gibt es einen Zusammenhang zwischen den als vorteilhaft oder nachteilig empfundenen Eigenschaften der gegenwärtig genutzten Mietfläche und den Wünschen an die zukünftige? Falls ja, besteht die Bereitschaft, eine höhere Kaltmiete zu zahlen, wenn diese Wünsche erfüllt sind?
Über das Vorhandensein (funktional) und über das Fehlen (dysfunktional) ein und derselben Eigenschaft haben die Forscher die Erwartungshaltung der Nutzer gegenüber den einzelnen Nachhaltigkeits-Merkmalen abgefragt. „Über die Kombination der Antwortmerkmale konnten wir die Eigenschaften in sechs Zufriedenheitsmerkmale klassifizieren, die Aussagen zur Zahlungsbereitschaft der Nutzer erlauben: Minimalanforderungen, gegenwärtige und zukünftige Differenzierungsmerkmale, unerhebliche Merkmale, Rückweisungsmerkmale und fragwürdige Merkmale“, so Zimmermann.

Die Erhebungsmethode

Die von der TU München durchgeführte Studie zählt zu den umfangreichsten Erhebungen zum Thema „Nachhaltigkeit in der Immobilienentwicklung“. Ein standardisierter Fragebogen mit vorgegebener Antwortauswahl wurde elektronisch an zirka 3 800 repräsentative Kontakte übermittelt. Mit 427 vollständig ausgefüllten Fragebögen erreichte die Umfrage die überdurchschnittliche Rücklaufquote von elf Prozent.

Die Teilnehmer

Angesprochen waren Büronutzer und Entscheider. Geantwortet hat eine repräsentative Gruppe: Ein Viertel der Teilnehmer hatte in den vorausgegangenen zwei Jahren eine oder mehrere Anmietentscheidung(en) getroffen, 8,6 Prozent eine oder mehrere Ankaufentscheidung(en). 57,6 Prozent der Teilnehmer nutzt das Auto, 11,0 Prozent das Fahrrad und fast ein Viertel den öffentlichen Personennahverkehr für den Weg von und zur Arbeit. Nur 14,5 Prozent der Antwortenden gaben an, jünger als 30 Jahre zu sein – 85,5 Prozent waren älter als 30 Jahre.

Die Ergebnisse

Büronutzer sind bereit, eine maximal 5,5 Prozent höhere Miete bezogen auf die ortsübliche Vergleichsmiete zu bezahlen, wenn nicht direkt quantifizierbare, gewünschte Eigenschaften vorhanden sind, die heute noch nicht als Standard nachhaltiger Büroimmobilien gelten. Nutzer wollen zum Beispiel individuellen Einfluss auf das Raumklima nehmen können, während die Nutzung von Regenwasser oder Techniken zur Wärmerückgewinnung noch nicht honoriert werden. Für das Angebot zugänglicher Grünanlagen dagegen würden Büronutzer einen Zuschlag auf die ortsübliche Miete tolerieren. Fahrradfahrer und Autofahrer äußern hinsichtlich fußläufig entfernter ÖPNV-Anbindungen die gleiche Einstellung. Die fußläufige Erreichbarkeit von Versorgungseinrichtungen wurde von unterschiedlichen Altersgruppen in etwa gleich bewertet. Für quantifizierbare Eigenschaften wie reduzierter Verbrauch von Strom, Wärme, Kälte und Wasser wird – je nach Höhe der Kaltmiete, der Standort- und Objektmerkmale der Immobilie – ein Zuschlag von zirka fünf Prozent akzeptiert. Zusammengenommen wäre also eine Steigerung der ortsüblichen Büromiete um maximal 10,5 Prozent möglich und damit ein deutlicher Einfluss auf den Verkehrswert.

Die Auswertung

„Den Einfluss von direkt quantifizierbaren Eigenschaften auf den Verkehrswert kann man durch Messungen und Berechnungen feststellen. Damit lassen sich die Kosten und Einsparungen unmittelbar in Euro je Quadratmeter angeben. Unter Nachhaltigkeitsaspekten ist es daher sinnvoll, umlagefähige und nicht umlagefähige Nebenkosten durch bauliche und betriebliche Maßnahmen zu reduzieren. Eine daraus eventuell resultierende Erhöhung der „Kaltmiete“ eröffnet dem Investor finanzielle Spielräume für Investitionen in nachhaltige Maßnahmen. Umlagefähige Nebenkosten also die zweite Miete zu reduzieren, macht eine Immobilie hingegen für potenzielle Nutzer attraktiv“, kommentiert Eichholz die Studie. Indem sie Zusammenhänge quantifizieren, helfen die Ergebnisse der Befragung Projektentwicklern, Immobilien zu realisieren, die den Nutzeranforderungen entsprechen, die Nebenkosten senken und gleichzeitig hohe Mieten generieren. Und die Auswertung erlaubt Aussagen darüber, wie viel Investitionen in Nachhaltigkeit kosten dürfen, um sich zu rentieren. „Gerade Projektentwickler stehen im aktuellen Nachhaltigkeitsdiskurs vor der Konfliktsituation, dass sie ökologische und soziale Verantwortung übernehmen wollen, gleichzeitig aber Kostenstrukturen und Zahlungsströme in der Immobilienentwicklung berücksichtigen müssen. Das heißt, eine Immobilie muss gleichzeitig finanzierbar, genehmigungsfähig, vermietbar und veräußerbar sein“, betont Eichholz. „Mit den Studienergebnissen wissen wir jetzt nicht nur, worauf es Investoren und Kommunen ankommt, sondern auch was Nutzer wertschätzen. Das ermöglicht uns, heute schon Projekte zu realisieren, die auch morgen noch zukunftssicher sind.“

Die Studie und ihre Ergebnisse werden im kommenden Sommer vorgestellt.

Weiterführende Information
http://www.deal-magazin.com/index.php?cont=news&news=16137