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Dienstag, 13. Dezember 2011

BGH erleichtert Kündigungen bei unwirtschaftlichen Mietobjekten

Der BGH deutet Erleichterungen der sogenannten Verwertungskündigung für den Fall des Wohnungsverkaufs an – nachhaltig?

Die Entscheidung des BGH vom 08.06.2011 – VIII ZR 226/09 (LG Potsdam) – verhält sich zu den Voraussetzungen einer Verwertungskündigung zum Zweck der Veräußerung einer im vermieteten Zustand unrentablen unverkäuflichen Immobilie.

Zunächst zum Sachverhalt: Die beklagte Mieterin mietete 1953 von einem volkseigenen Betrieb der ehemaligen DDR ein in staatlicher Verwaltung stehendes Einfamilienhaus. Nach Beendigung der staatlichen Verwaltung mit Ablauf des Jahres 1992 traten die Kläger in ungeteilter Erbengemeinschaft nach dem ehemaligen Eigentümer in das Mietverhältnis ein. Sie kündigten das Mietverhältnis mit der Begründung, sie beabsichtigten, das verlustbringende Mietobjekt zum Zweck der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu veräußern; daran seien sie durch den Fortbestand des Mietverhältnisses gehindert.

Das AG Potsdam hat die Klage abgewiesen, das Landesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die vom Berufungssenat zugelassene Revision hatte Erfolg.

Der BGH ist der Ansicht, das Berufungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrags ein erheblicher Nachteil im Sinne des § 573 II Nr. 3 BGB entstehe, vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen sei. Das Eigentum gewähre dem Vermieter vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen. Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung sei nämlich Eigentum im Sinne von Art. 14 I 1 GG und deshalb grundgesetzlich geschützt. Auf der anderen Seite dürften die dem Vermieter entstehenden Nachteile jedoch keinen Umfang annehmen, der die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen.

Entgegen der vom Berufungsgericht unter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Stuttgart vertretenen Meinung sei ein erheblicher Nachteil nicht schon deshalb zu verneinen, weil der Vermieter das vermietete Grundstück im Erbgang erworben hat und sich der Verkehrswert des Objekts seither nicht verschlechtert habe. Mit dieser Sichtweise verkürzte das Berufungsgericht die erforderliche Abwägung und Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls auf die Fragestellung, ob seit dem Erwerb des Objekts durch den jetzigen Vermieter eine Verschlechterung des Verkehrswerts oder der Rentabilität eingetreten sei. Zu Recht habe die Klägerseite gerügt, dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Kläger zur Unverkäuflichkeit des Grundstücks in vermietetem Zustand für unsubstanziiert gehalten habe. Die Kläger hatten sich keineswegs pauschal auf eine generelle Unverkäuflichkeit des Grundstücks berufen, sondern schlüssig und unter Beweisantritt vorgetragen, dass als Käufer für das Einfamilienhaus von seinem Zuschnitt her nur ein "Normalverdiener" in Betracht komme, der es selber nutzen möchte. Ein solcher Kaufinteressent müsse aber für die Verwirklichung einer Eigenbedarfskündigung mehrere Jahre einkalkulieren und werde deshalb vom Kauf Abstand nehmen, sodass das Objekt praktisch unverkäuflich sei. Hierüber habe das Berufungsgericht nicht mit generalisierenden Überlegungen zur grundsätzlichen Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung eins potenziellen Erwerbers hinwegsetzen dürfen und folgerichtig geschlussfolgert.

Mit dem Eigentumsgrundrecht in Artikel 14 I GG ist es nicht vereinbar, Eigentümer ehemals staatlich verwalteter Wohnungen an den bei Aufhebung der staatlichen Verwaltung durch einen volkseigenen Betrieb der ehemaligen DDR gegebenen Zuständen auch nach deren Beendigung zum Ablauf des Jahres 1992 festzuhalten und ihnen zuzumuten dauerhaft Verluste ohne eine Verwertungsmöglichkeit hinzunehmen.

Fazit:
Die Begründung der Entscheidung belegt, dass beim BGH hinsichtlich der Verwertungskündigung – vorsichtig – ein Prozess der Erleichterungen von Verwertungskündigungen begonnen haben könnte. Dies ergibt sich (auch) aus dem Umstand, dass die Klage in erster und zweiter Instanz erfolglos gewesen ist. Die Begründungen entsprachen durchaus der bisherigen Rechtsprechungslinie. Ob Vermieter jetzt gleich aufatmen können, sei zunächst einmal dahingestellt. Immerhin aber hat der BGH, und dies ist nicht selbstverständlich, der Verwertung einer Immobilie im Wege des Verkaufs den Schutz durch Artikel 14 GG zur Seite gestellt.

( Entscheidung des BGH, Urteil vom 08.06.2011, Aktenzeichen: VIII ZR 226/09)

Quelle: wwww.kon-ii.de